Eine internationale Karriere als Aktuar*in - Einblicke eines erfahrenen internationalen Aktuars

Herr Dr. Schiller ist Chief Actuary Life & Health Reinsurance Europe and Middle East bei der Munich Re und engagiert sich ehrenamtlich bei der Actuarial Association of Europe. In unserem Interview schaut er zurück auf seinen Werdegang, zeigt Einblicke in seinen täglichen Arbeitsalltag und gibt Tipps für junge Aktuarinnen und Aktuare.
Veröffentlicht am 27.10.2021

1. Herr Dr. Schiller, Sie sind Chief Actuary Life & Health Reinsurance Europe and Middle East bei Munich Re. Was sind Ihre Aufgaben in dieser Position? Und wie international ist Ihr täglicher beruflicher Alltag? 

 
Angefangen von Data Management und Analytics für alle relevanten Produkte und Services über die Herleitung unserer versicherungstechnischen Annahmen für die Preisgestaltung, der dafür notwendigen Pricing-Tools bis hin zur operativen Durchführung dieser Pricings liegt die Verantwortung bei mir. Zusätzlich habe ich die personelle Führung für die Risikomanager dieser Region, die aber funktional an den Segment-CRO berichten. 
Wir sind dabei in über 30 Ländern aktiv und haben dementsprechend auch mit einer breiten Fülle von Lebens- und Krankenversicherungsprodukten und ihren lokalen Ausprägungen in den jeweiligen Ländern zu tun. Da es bei den unterstützen Services und Pricings immer sehr ins Detail geht, sind wir im engen Austausch mit den Experten der lokalen Gesellschaften. Daher ist es nicht unüblich, dass wir mit unseren Kunden nicht nur in Deutsch sondern auch oft in Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch oder Italienisch kommunizieren.
 

2. War es schon immer Ihr Wunsch, international zu arbeiten? Warum?

Bereits an der Universität während der Promotion fand ich es spannend, in einem Forschungsbereich international auch mit Mathematikern aus Kanada und Holland zusammenzuarbeiten. Seither habe ich versucht, diese Internationalität so gut es auf den jeweiligen Stellen ging beizubehalten. Spannend finde ich vor allem, die verschiedenen Kulturen in der Arbeitswelt zu erleben und auch die unterschiedlichen Lösungen in den jeweiligen Märkten kennenzulernen. Die vielen verschiedenen Lösungswege für ähnliche Probleme zu sehen, finde ich immer sehr inspirierend.

3. Sie engagieren sich auch bei der Actuarial Association of Europe (AAE). Sie sind Vice-Chair des Risk Management Committees und Chair der Sustainability and Climate related Risks Working Group. Wie sind Sie zu Ihren Positionen bei der AAE gekommen? 

Nachdem ich mich immer sehr für die unterschiedlichen Ausgestaltungen von Solvenz-Regime interessiert hatte und ich dort auch schon breite Erfahrungen auf meinen verschiedenen beruflichen Positionen sammeln konnte, war es nur natürlich, dass ich als Leiter des DAV Ausschuss ERM die DAV beim Thema Risikomanagement auch international vertrete. Ähnlich wie bei der DAV ist auch bei der AAE das Thema Nachhaltigkeit dem Risikomanagement zugeordnet und für mich ist es aktuell eines der wichtigsten Themen, zu denen Aktuare arbeiten sollten. Daher freue ich mich, dass ich auch für diese Arbeitsgruppe die Leitung übernehmen durfte.

4. Wird der aktuarielle Berufsstand Ihrer Meinung nach internationaler? Warum?

Je mehr die Regulierung und Bilanzierung international standardisiert wird, desto mehr braucht es dazu den internationalen Austausch auch von Aktuaren. Wir sehen diese Trends aktuell natürlich bei Solvency II aber auch z.B. bei der anstehenden Einführung von IFRS17.
Aber auch die anderen hochprioritären Themen wie Data Science oder Klimawandel sind keine lokalen Aufgaben, sondern müssen international orchestriert werden. Auch hier sollten Aktuare eine herausragende Rolle spielen und sich daher natürlich international engagieren.

5. Was raten Sie jungen Aktuar*innen, die auch eine internationale Karriere einschlagen wollen? 

Oft ist es möglich bei größeren Unternehmen einige Jahre im Ausland zu arbeiten. Nutzen Sie die Chance, um wirklich vor Ort die Kultur und Sprache kennenzulernen. Und dann gibt es natürlich immer wieder Gelegenheiten, sich bei den internationalen oder europäischen Kongressen der Aktuare über aktuelle Entwicklungen in den anderen Ländern zu informieren. Dank der inzwischen üblichen virtuellen oder hybriden Formate ist die Teilnahme jetzt auch leichter im Arbeitsalltag zu integrieren.

6. Zuletzt noch eine private Frage: Was machen Sie in Ihrer Freizeit als Ausgleich zu Ihrer beruflichen Tätigkeit?

Ich wandere viel und beschäftige mich mit Naturfotografie. Ein bisschen frische Luft und mal kein Computermonitor vor den Augen tut gut – vor allem jetzt nach eineinhalb Jahren Home Office und Video-Konferenzen…